Eine Kinderhand wirft einen gefalteten Stimmzettel am 13.09.2013 bei der Kinder- und Jugendwahl U 18 in Berlin in eine Wahlurne. Bundesweit können Kinder und Jugendliche auf nahezu identischen Stimmzetteln ihre Stimme zur Bundestagswahl abgeben. Foto: Stephanie Pilick/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Das will der politische Nachwuchs – Teil 1

Schulsanierungsstau, Wohnungsmangel, den besonders Schüler und Studenten spüren, und die Flüchtlingsfrage – einige Themen des Berliner Wahlkampfs betreffen auch und vor allem Jugendliche. Wir haben die Jugendorganisationen der Parteien, die voraussichtlich ins Abgeordnetenhaus einziehen werden, gefragt, wie sie die Probleme lösen wollen.

Teil 1: Situation an Berliner Schulen, Wohnungsnot und erste Amtshandlung

Berlin hat zu wenig Schulen und die, die es gibt, sind oft in marodem Zustand. Zudem mangelt es an Lehrkräften. Wie lautet Eurer Masterplan gegen dieses Armutszeugnis?


JUSOS: Wir bauen neue Schulen und wo es geht, bauen wir Schulen aus. Alle bestehenden Schulen werden wir in den nächsten 10 Jahren sanieren lassen. Außerdem wollen wir an allen Schulen WLAN,  Whiteboards und mehr Laptopklassen. Und wir wollen, dass an den Unis so viele Lehrkräfte ausgebildet werden, wie wir zum Lernen brauchen. Mehr Lehrkräfte und schönere Schulen reichen uns aber nicht: Wir wollen gleiche Bildungschancen für alle durch den Ausbau von Gemeinschaftsschulen. Wir werden Berufsschulen und Oberstufenzentren so ausbauen, das niemand ohne Schulabschluss die Schule verlassen muss. Und damit noch nicht genug: Bildung und Ausbildung sollen komplett gebührenfrei sein. Der Geldbeutel der Eltern ist uns nämlich ralle.
JUNGE UNION: Schulen können nur mit gutem und hochmotiviertem Lehrpersonal erfolgreich sein. Wir fordern daher die Wiedereinführung der Verbeamtung der Berliner Lehrer, um bei der 
Werbung um die besten Lehrkräfte konkurrenzfähig mit den anderen Bundesländern zu werden. Im ersten Schritt muss aber die Bezahlung der angestellten Berliner Lehrer unverzüglich an das Gehaltsniveau ihrer verbeamteten Kollegen angepasst werden. 
Die Ausbildung von Lehrern, insbesondere auch für die Grundschulen, muss oberste Prio
rität haben. Die Zahl der dafür benötigten Studienplätze an den Berliner Universitäten muss unverzüglich entsprechend angehoben werden.  Um  die  Missstände  an  Schulgebäuden  und  insbesondere  auch  Schultoiletten  schnellstmöglich abzustellen, fordern wir weitere, effektive Investitionen in die Infrastruktur und eine entsprechende Ausstattung der Bezirke. Bezirke, die es aufgrund von Personalmangel nicht schaffen, die zur Verfügung gestellten Mittel auch einzusetzen, müssen vom Land dabei unterstützt werden.
GRÜNE JUGEND: Schimmel sind Pferde, keine Schulen. Damit sich das ändert und Schulen zu einem Lernumfeld werden, in dem sich Schüler_innen und Lehrer_innen sicher fühlen, müssen hier nun massiv Investitionen getätigt werden. Anstatt weiter zu sparen bis es knarzt und die Verantwortung hin- und herzuschieben, muss den Bezirken schnell Geld zur Verfügung gestellt werden, um die Missstände zu beheben.
LINKSJUGEND: Statt neue Schlösser zu bauen oder unendliche Gelder in einen niemals endenen Flughafenbau zu pumpen, müssen mehr Gelder für Bildung bereitgestellt werden. Es war doch auch schon vor einigen Jahren absehbar, dass Berlin wachsen würde, trotzdem wurde auch in der Bildung nur weiter gespart. Doch es reicht nicht nur mehr Geld in Bildung zu investieren. Wir stehen nicht nur für neuere oder bessere Schulen ein. Nein, wir fordern radikale Veränderungen in der Bildung, so dass Lernen selbstbestimmt und jenseits von Notendruck passiert.
JUNGE LIBERALE: Zuallererst muss der Sanierungsstau, der sich unter dem jetzigen Senat verfünffacht hat, abgebaut werden. Genauso wie Schulgebäude und Turnhallen in Stand gesetzt werden müssen, muss aber auch die technische Ausstattung im 21. Jahrhundert ankommen. Statt der Einführung von Handyverboten, sollten an Schulen die neuen Medien viel stärker in den Unterricht einbezogen und veraltete Software im Klassenzimmer ausgetauscht werden. Daneben muss der Lehrerberuf auch für angestellte Lehrer attraktiver gemacht werden, indem ihr Gehalt auf das der Beamten erhöht wird– wer beste Bildung will, kommt ohne beste Lehrer nicht aus. Wir wollen den Schulen mehr Eigenverantwortung zugestehen und u.a. auch die Einstellung der Lehrer den Schulleitungen überlassen. Gleichzeitig müssen die wesentlichen Rahmenbedingungen nicht mehr auf Landes-, sondern auf Bundesebene gesetzt werden, denn Berlin steht nicht im Wettbewerb mit Bremen, sondern Deutschland mit China und den USA.
JUNGE ALTERNATIVE: Wir fordern die deutliche Aufstockung der „Selbstbewirtschaftungsmittel“ der einzelnen Schulen und größere bauliche Investitionen durch die Bezirke zur Beseitigung des erheblichen Sanierungsstaus. Bildung und Innere Sicherheit zählen zu den Kernaufgaben des Staates. Hier dürfen keine Einsparungen vorgenommen werden.

Trotz Mietpreisbremse und dem Verbot von Ferienwohnungen ist der Wohnraum in Berlin mehr als knapp. Das kriegen auch die Studenten zu spüren, die in der Regel nur ein kleines Budget haben. Was würdet ihr dagegen tun?


JUSOS: Wir wollen mehr bauen, günstiger bauen und Ferienwohnungen in Mietwohnungen umwandeln. Wir wollen z.B. 5000 Wohnungen für Studierende bauen. Und wir wollen es Miethaien schwerer machen indem wir die Mietpreisbremse noch stärker anziehen und besser durchsetzen als bisher. Der Bestand von öffentlichem Wohnraum wird auf insgesamt 400.000 Wohnungen aufgestockt, deren Bewohnerinnen maximal 30% ihres Einkommens für die Miete ausgeben müssen.
JUNGE UNION: Vor  allem  müssen  die  Rahmenbedingungen  für  den  Neubau  von Wohnraum  dringend weiter verbessert werden. Landeseigene Grundstücke müssen, auch trotz der Flüchtlingskrise, konsequent für den privaten oder öffentlichen Wohnungsbau freigegeben werden, Baugenehmigungen müssen von den Bezirken schneller erteilt, Anreize für private Investoren gesetzt werden. Wohnungsbau durch Private hat für uns Vorrang, da diese flexibler auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren können. Private Bauherren sollten durch sogenannte Quersubventionierungsmodelle, bessere steuerliche  Förderungen  oder  einen  Wohnungsbaufonds  zur  Schaffung  bezahlbarer  Mietwohnungen gebracht werden. Natürlich sollen und müssen  auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ihren Anteil an der Lösung des Problems leisten. Insbesondere für den Bau von staatlich geförderten Sozialwohnungen  sind sie die besten Partner. Für Studenten müssen auch deutlich mehr Wohnheimplätze geschaffen werden, um den Druck auf dem Wohnungsmarkt zu verringern. Die derzeitigen Wartezeiten von über einem Jahr für einen Wohnheimplatz sind nicht akzeptabel. Berlin ist weltweit ein äußerst beliebter Studienort. Damit das so bleibt, muss dem bei der Schaffung von Wohnraum Rechnung getragen werden!
GRÜNE JUGEND: Sogar in der Berliner Verfassung ist das Recht auf Wohnraum geschützt. Damit das nicht nur leere Worte sind, setzen wir uns für Wohnraumschutz ein und möchten zuallererst denen Wohnraum anbieten, die ihn benötigen. Dafür braucht es ein Umdenken in der Politik. Um Spekulation entgegenzuwirken und die Berliner Mischung zu erhalten, brauchen wir mehr landeseigene Wohnungen und Genossenschaften statt privater Investor
innen und feste Richtwerte. Klüngeleien von Senatoren mit Unternehmern sind hierbei ein No-Go. Wohnungen sollen dauerhaft bewohnt werden und nicht leerstehen oder nur einige Male im Jahr als Ferienwohnung genutzt werden, dafür gibt es eigene Angebote und Hotels. Auch die energetische Sanierung von Wohnhäusern ist uns aus Klimaschutzgründen natürlich sehr wichtig, darf aber nicht für eine ungerechtfertigte Mieterhöhung ausgenutzt werden.
LINKSJUGEND: Generell braucht es ein Umdenken in der Wohnungs- und Stadtpolitik. 
Wer Mieterhöhungen und Verdrängung nicht hinnehmen will, läuft Gefahr zwangsgeräumt zu werden. Das ist nicht nur die krasseste Form der Verdrängung, sondern kann für die Betroffenen auch Obdachlosigkeit bedeuten. Um dem etwas entgegenzusetzen, braucht es ein grundlegendes Umdenken in der Wohnungs- und Stadtpolitik zu einem Recht auf Stadt: Mindestens die Hälfte der Mietwohnungen müssen in öffentlichen Besitz gelangen, um ausreichend bezahlbaren Wohnraum gewährleisten zu können. Das allein reicht aber nicht aus. Die öffentlichen Wohnungsbauunternehmen und die Stadtpolitik müssen demokratisch umgestaltet werden, so dass Mieter*innen über ihre Wohnung, ihr Haus und ihren Kiez mitentscheiden können.
Auch Enteignung von Häusern und Grundstücken könnte hier ein probates Mittel zur Bekämpfung der unmittelbaren Wohnungsnot sein. Ein Negativbeispiel sind hier die Enteignungen von Wohnungen in Treptow zugunsten des Weiterbaus der Autobahn A 100, also schon längst gängige Praxis in Berlin!
Nach dem Auslaufen der „Sozialbindung“ von Sozialwohnungen gehören diese in den öffentlichen Bestand überführt und dürfen nicht einfach wegfallen. Zwangsräumungen als krasseste Form der Verdrängung, gehören abgeschafft.

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JUNGE LIBERALE: In Berlin braucht es vor allem eins: Mehr Wohnungen. Übermäßige Regulierungen wie die Mietpreisbremse halten aber Menschen davon ab, neue Wohnungen zu bauen und sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Wir wollen daher den Wohnungsmarkt deregulieren und Bürokratie abbauen. Die Traufhöhe, welche die Höhe der Mietshäuser auf 22 Meter begrenzt, hat in einer Metropole wie Berlin nichts mehr verloren. Dort wo Deregulierung nicht zu mehr Wohnungen führt, muss sozialer Wohnungsbau genutzt werden, um für alle Berliner Wohnraum zu schaffen. Beim studentischen Wohnen wollen wir darüber hinaus dafür sorgen, dass dem Studentenwerk Grundstücke und leerstehende Gebäude in Landesbesitz vergünstigt zur Verfügung gestellt werden. So könnte das sonst völlig überlaufene Studentenwerk mehr Studenten günstige Wohnungen anbieten, was die Wohnsituation deutlich entspannen würde.
JUNGE ALTERNATIVE: Berlin benötigt mehr Wohnraum. Nur wenn der Markt an Wohnungen gesättigt ist, werden nach marktwirtschaftliehen Grundsätzen, die Mietpreise auf lange Sicht wieder sinken. Mietpreisbremsen sind kein probates Mittel um den Mangel an Wohnraum zu kompensieren. Die JA Berlin fordert daher neue Bebauungspläne für Berlin, in denen verstärkt Wohngebiete ausgewiesen werden. Zudem muss in einigen Stadtgebieten die Traufhöhe für Gebäude erhöht werden. Neben der aktiven Werbung privater Investoren, ist auch der soziale Wohnungsbau wieder verstärkt zu forcieren.

Welches Thema würdet ihr nach der Wahl als erstes angehen und warum?


JUSOS: Uns ist besonders wichtig, dass nach dem Schulabschluss niemand mit leeren Händen oder ohne Perspektive für die Zukunft dasteht. Dafür haben wir zwei Lösungswege: Zum einen wollen wie eine Ausbildungsplatzgarantie einführen, sodass jede Person mehrere Angebote für eine Berufsausbildung bekommt. Im Moment gibt es dafür aber nicht genügend Ausbildungsplätze. Deswegen werden wir eine Umlagefinanzierung einführen, sodass Unternehmen, die nicht ausbilden, sich an den zusätzlichen Ausbildungskosten beteiligen müssen. Zum anderen wollen wir die Studienplätze in Berlin ausbauen und dafür sorgen, dass mindestens 70% der Studienanfängerinnen später auch einen Masterstudienplatz bekommen. Mit einem „Pakt für gute Lehre“ verbessern wir die Studienbedingungen. Alle jungen Menschen sollen eine gute Ausbildung bekommen, sowohl an den Hochschulen als auch in der dualen Ausbildung.
JUNGE UNION: Berlin hat viele drängende Probleme, die man sicherlich nicht nur nacheinander angehen sollte. Neben den bereits erwähnten Themen Schulen und Wohnungen hätte das Thema Verwaltungsmodernisierung bei uns oberste Priorität. Seit vielen Monaten ist die Situation an Berlins Bürgerämtern katastrophal: Die Terminnot ist groß, der Ärger auch! Der notwendige Abbau von Bürokratie und die Modernisierung der Verwaltungen ist ein wichtiger Schritt hin zu einer wirklich bürgernahen Verwaltung. Neben einer erheblichen Aufstockung des Personals müssen die Bürgerämter ihre  digitalen  Angebote  verstärken  und  ausbauen.  Bürgeranliegen  sollten  zwecks Zeitersparnis online von zu Hause aus bearbeitet werden können, indem alle benötigten Dokumente online ausgefüllt, digital unterschrieben und zum Bürgeramt geschickt werden. So wären die entsprechenden Mitarbeiter auf den Termin optimal vorbereitet und das Anliegen wäre gegen Vorlage des Personalausweises zeiteffizient behandelt.
GRÜNE JUGEND: Eines unserer Kernanliegen ist die Radpolitik in Berlin. Wir möchten, dass die Stadt endlich fahrradfreundlich wird und die Menschen das Rad nicht vor Angst stehen lassen, weil ihnen aufgrund mangelnder oder kaputter Radwege ein Unfall droht. Außerdem ist das Fahrrad ein klimafreundliches Verkehrsmittel, dass eine wichtige Rolle spielen wird, Berlin zur Klimahauptstadt zu machen. In diesem Bereich möchten wir auch ganz dringend gemeinsam mit den Brandenburger
innen für einen Ausstieg aus der Kohle eintreten und die Energieversorgung der Stadt auf erneuerbare und nachhaltige Energiequellen lenken.
LINKSJUGEND: Für uns gibt es kein vor und nach der Wahl. Politische Patizipation ist für uns Alltag. Themen wie Bildung, Feminismus, Antifaschismus, Stadtpolitik und die Belange von Geflüchteten haben bei uns oberste Priorität, unabhängig vom parlamentarischen Kalender.
JUNGE LIBERALE: Am Wichtigsten ist uns, dass unsere Stadt wieder funktioniert, unter diesem Senat ist dies nämlich nicht der Fall. Dies offenbart sich vor allem bei den grotesk langen Schlangen und Wartezeiten vor den Berliner Bürgerämtern. Es kann nicht sein, dass die Berlinerinnen und Berliner wegen einer überforderten und unterfinanzierten Verwaltung einen ganzen Tag für einen neuen Pass opfern müssen. Wir wollen daher alle Dienste der Bürgerämter auch digital anbieten. In anderen Ländern kann die Staatsbürgerschaft online beantragt werden, hier muss man selbst für die Ummeldung aufs Amt. Eine vollständig digitalisierte Verwaltung würde die Beamten entlasten, Kosten und Zeit sparen und die Bürgerämter endlich wieder zu einem Dienstleister der Bürgerinnen und Bürger werden lassen. Das ist ein essentieller Schritt zu einem modernen und bürgerfreundlichen Berlin und daher das erste Projekt, dass wir als Julis vorantreiben würden.
JUNGE ALTERNATIVE: Die Innere Sicherheit in Berlin wird einer unser Schwerpunkte. Ob Taschendiebstähle und sexuelle Belästigungen durch sog. „Antänzer“, organisierte Kriminalität durch libanesische und arabische Clans, linksextreme „no go areas“ wie in der Revaler Str. oder einfach nur die Tatsache, dass in ganz Berlin weniger Polizeikräfte vorhanden sind, als zu Zeiten der Teilung in ganz West Berlin, zeigt, dass es in diesem Bereich lichterloh brennt.

Teil 2 zu den Themen Flüchtlinge in Berlin & Politikverdrossenheit der Jugend erscheint am Mittwoch
Teil 3 zu den Themen kostenloses Schulessen & Wählen ab 16 erscheint am Donnerstag

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Kategorien Interview Politik Schulpolitik

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