Foto: Marian Lenhard

Interview mit Von Wegen Lisbeth: „Wir würden uns gerne mit Revolverheld batteln“

Die Berliner Band Von Wegen Lisbeth will frischen Wind in die deutsche Musikszene bringen

Die Band Von Wegen Lisbeth fin­det ihre Instrumente auf der Straße und ihre Textideen in ihrer Stammkneipe oder auf Facebook. Trinkpäckchen schlürfend erzählten sie uns unter anderem, was sie an der deutschen Musikszene nervt.

Am 15. Juli erscheint euer Debüt­album „Grande“. Empfindet ihr eher Prüfungsangst oder väterlichen Stolz?
Matze: Erst mal sind wir krass happy, dass wir überhaupt ein Album gemacht haben.
Julian: Prüfungsangst auf keinen Fall. Es ist uns scheißegal, was ­andere Leute darüber denken – nein, das stimmt natürlich nicht. Aber wir standen so lange im Studio, bis kei­ner mehr etwas auszusetzen hatte.
Matze: Also eher väterlicher Stolz.

Seit der siebten Klasse macht ihr ­ge­meinsam Musik, jetzt seid ihr ­Mitte 20. Warum hat das erste Album so lange auf sich warten lassen?
Matze: Weil niemand unsere ­Musik hören wollte. Aber die Sachen, die wir früher gemacht haben, waren teils so absurd, dass wir heute da­rüber lachen können. Ein Song war zum Beispiel eine Morddrohung an meinen Kieferorthopäden.
Julian: Oder wir haben Gameboy-Musik und Keyboard kombiniert.

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Anders als viele frühere Schülerbands habt ihr aber den Sprung aus der Ga­rage auf die große Bühne geschafft!
Julian: Tatsächlich proben wir ­immer noch in der Kellergarage der Eltern unseres Schlagzeugers.
Matze: Früher haben wir in jedem Ranz-Club gespielt, draußen in ­Hellersdorf vor fünf Leuten und zwei Hunden. Oder im „RBB-Sommergarten“ vor Rentnern, die auf eins und drei angefangen haben, zu klatschen.
Julian: Und jetzt waren sogar in Fulda 25 Leute auf unserem Konzert.

Eure Songs stecken voller ironischer Kritik. Auch gegenüber anderen Bands. Was stört euch denn an der zeitgenössischen Popmusik?
Julian: Das ist alles so ultraernst und berechnet. Man merkt einfach, dass das keine ehrliche Musik ist, sondern total vom Label kontrolliert. Die schauen bloß, womit sich gerade Kohle machen lässt. Das kriegen die Österreicher irgendwie besser hin, die haben Wanda und Bilderbuch.
Matze: Man kann doch auch seine Musik ernst meinen, ohne unter je­des Video ein deepes Kafka-Zitat zu schreiben und zu sagen: Das hat uns ja so inspiriert. Etwas mehr Selbst­ironie und Beef wären schön, wie in der HipHop-Szene. Diese Diss-­Kultur fehlt uns. Wir würden uns ja gern mal mit Revolverheld batteln.

Ihr seid nicht nur textlich, sondern auch instrumentell sehr originell. Eine elektrische Harfe, ein Mini-Casio­-Keyboard. Wie kamt ihr zu die­ser ungewöhnlichen Kombination?
Matze: Wir fanden die typische Kombi aus zwei Gitarren und Bass einfach langweilig. Viele unserer ­Instrumente haben wir uns quasi ­zusammengeklaut. Ein bisschen was von der Schule „dauergeliehen“ …
Julian: Ein paar Instrumente ­ha­ben wir vom Sperrmüll der ­Deutschen Oper gerettet. So hören die sich auch an. Zum Beispiel eine Steel Drum, die mehr nach einer Blechdose klingt als nach allem ­anderen. Was uns zufliegt, bauen wir irgendwie ein.

Fünf übertrieben coole Typen in einer Band: Ist das nicht auch manchmal eine Herausforderung?
Matze: Wären wir nicht auch pri­vat miteinander befreundet, würde das gar nicht funktionieren. Wir ­hän­gen ja so krass aufeinander rum.
Julian: Wir wohnen teils auch ­zusammen.
Matze: Dissen ist dabei ganz wichtig! Unsere Tourbusgespräche sollte man echt nicht aufnehmen.
Julian: Ja, das ist eine wichtige ­Sache, wenn wir so lange unterwegs sind. Man meint das nicht ganz ernst und kann trotzdem Aggressionen ­abbauen. Matze ist zum Beispiel der faulste Mensch der Welt, den kann man deshalb die ganze Zeit dissen.
Matze: Und Julian ist der schlech­teste Bassist, der je auf einer Bühne stand.

Mehr über die Band findet ihr auf ihrer Homepage.

 

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Kategorien Interview

Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.