Jonas, Raffi und Moritz (v.l.n.r.) machen nur, worauf sie Bock haben. Ihrer wachsenden Fangemeinde scheint das zu gefallen.
Jonas, Raffi und Moritz (v.l.n.r.) machen nur, worauf sie Bock haben. Ihrer wachsenden Fangemeinde scheint das zu gefallen.

OK Kid: „Wir sind eine Band, die wir selber feiern würden“

OK KID wollen sich in keine Schublade stecken lassen. Wir haben die Alleskönner zum Interview getroffen.

Noch vor drei Jahren kreisten die drei Gießener einheitlich poppig um ihre Beziehungen und Lebenskrisen. Das neue Album „Zwei“ überrascht nun mit vielseitigem Sound und Texten, die nicht nur an der Oberfläche typischer Twentysomething-Probleme kratzen.

Euer zweites Album wirkt inhaltlich klarer und selbstbewusster als das erste, der Fokus reicht über den privaten Emo-Tellerrand hinaus. Woran liegt das?
JONAS: Das hat mit einer persönlichen Entwicklung zu tun. Wir müssen uns die Fragen von damals einfach nicht mehr stellen. Wenn wir Songs schreiben, wollen wir erstmal gar nichts, sondern lassen Sachen zu, wie sie passieren. Das ist ein null kalkuliertes Album gewesen.

Insbesondere „Gute Menschen“ hat eine enorme Resonanz erhalten. Verspürt ihr dadurch einen Druck, eure Musik gesellschaftskritischer auszurichten?
MORITZ: Wir lassen uns generell keinen Druck von außen machen oder von den Leuten, mit denen wir zusammenarbeiten. Wenn wir Songs schreiben, die einen gesellschaftskritischen Hintergrund haben, dann konzipieren wir das nicht extra. Das sind einfach Sachen, mit denen wir uns beschäftigen.
RAFFI: Bei „Gute Menschen“ war es so, dass wir immer mehr diese „Ja, aber…“-Sätze gehört haben. So nach dem Motto: Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber…Das hat uns angekotzt.

Ihr windet euch aus jeder Genre-Schublade. Wie oder worüber definiert ihr euch als Band?
JONAS: Wir nehmen uns die Freiheit heraus, das zu tun, worauf wir Lust haben. Diese Selbstbestimmung ist uns wichtig. OK KID ist eine Band, die ich selbst feiern würde. Und die ich früher gefeiert hätte. Für die Videos, für die Mucke, für die Attitüde, die dahinter steht.

Ihr spielt schon seit einigen Jahren zusammen, aber erst jetzt gibt es einen kleinen Hype um euch. Hättet ihr euch das schon früher gewünscht?
JONAS: Das kommt bei uns irgendwie gar nicht so an. Wir hatten nicht die eine Radio-Single, nach der uns alle kannten. Leute lernen uns nach und nach kennen. Es ist cool, dass das so langsam wächst und man so nah an den Fans ist. Die Fanbase wird zwar immer größer, aber es gibt nicht so eine krasse Hypeblase, die morgen schon wieder platzen kann.

Jonas, Raffi und Moritz (v.l.n.r.) machen nur, worauf sie Bock haben. Ihrer wachsenden Fangemeinde scheint das zu gefallen.
Jonas, Raffi und Moritz (v.l.n.r.) machen nur, worauf sie Bock haben. Ihrer wachsenden Fangemeinde scheint das zu gefallen. Foto: Stefan Braunbarth

Generell steht ihr nicht so darauf, euch selbstdarstellerisch in den Vordergrund zu drängeln, oder?
JONAS: Wir freuen uns, dass die Fans uns nicht als Personen in den Mittelpunkt stellen, sondern großes Interesse an unserer Musik haben. Wenn wir live spielen, sind wir natürlich Rampensäue und wollen die Aufmerksamkeit der Zuschauer haben, aber danach ist es dann auch wieder vorbei. Zum Glück interessiert sich niemand großartig für unser Privatleben.

Euer Album ist musikalisch wie thematisch ein echter Alleskönner. Einer eurer Songs trägt den Titel „Ich kann alles“. Habt ihr geheime Talente, von denen die Welt wissen sollte?
JONAS: Das sieht man ja schon in unserem Video: Tanzen, Feuerspucken, Stühle auf der Nase balancieren, uns verwandeln. Zaubern können wir auch.
RAFFI: Krasserweise hat irgendwie niemand von uns ein riesengroßes Hobby abseits der Musik.
MORITZ: Aber unser Bassist, mit dem wir immer auf der Bühne stehen, der kann wirklich alles! Der fährt Skateboard, Ski, kann Sachen bauen, alles reparieren, studiert nebenbei nochmal Produktdesign…
JONAS: Das ist ein krasser Typ, auf jeden Fall. Auch für die Frauenwelt ein guter Fang!

Vor fünf Jahren seid ihr aus eurer „Stadt ohne Meer“ nach Köln gezogen. Warum fühlt ihr euch dort so wohl und könntet ihr euch auch ein Leben in Berlin vorstellen?
MORITZ: Köln ist cool. Man kommt superschnell mit Leuten in Kontakt und es geht auch weit über diese „amerikanische Freundlichkeit“ hinaus.
RAFFI: Als wir uns entschieden haben, nach Köln zu gehen, gab es in Berlin einfach so eine Attitude, die vollkommen satt war. Man hat zwanzig Partys zur Auswahl, ein Abend verliert sich in fünf Locationwechseln und alle sind unzufrieden. Das ist in Köln anders. Da gibt es diese Jagd nach dem End-Hype-Am-Zahn-der-Zeit-Scheiß nicht.

Eure Bühnenshows reißen das Publikum mit. Wie stimmt ihr euch selbst auf die Konzerte ein?
JONAS: Gin Tonic für alle! Und abklatschen mit jedem, der von der Crew dabei ist. Erst die Lichtleute, dann der Soundmann, dann der Tonmanager. Aber wir haben das auch schon nicht gemacht und trotzdem nicht verkackt. Aberglaube ist nicht unsere Spezialität. Es liegt also hauptsächlich am Gin Tonic. Den trinken wir vorher und nachher. Und währenddessen.
MORITZ: Vielleicht wechseln wir ja beim dritten Album mal das Getränk…
JONAS: Dann gibt’s drei Kannen Matcha-Tee oder so `nen Scheiß.

Wenn ihr zurückblickt auf eure bisherige Karriere, gibt es etwas, das ihr gern anders gemacht hättet?
RAFFI: Wir haben mal in Frankreich in einer Surfbar gespielt, als holländischer Karneval war. Die Holländer waren total voll und haben in ruhigeren Liedpassagen gegrölt: „All the Germans are gay!“. Die haben einfach die Stecker aus der Gitarre gezogen. Einer wollte auch sein Bier über unseren Laptop kippen. Wir haben dann abgebrochen, uns die Kohle geschnappt und sind ganz schnell verschwunden.

Das Gespräch führte Margarethe Neubauer, 21 Jahre.

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Kategorien Interview Konzerte Kultur Musik

Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.