„Die Jugend denkt europäisch“

Wirtschaftsexperte Ralf-Joachim Götz über die Finanzkrise und warum der Euro eine Zukunft hat

 

Schlechte Nachrichten aus der Wirtschaftswelt gehören inzwischen schon fast zum Alltag. Kaum einer kommt bei all den Meldungen mehr mit, wirklich verstanden hat die Finanzkrise kaum jemand. Auch die Jugendredaktion hat den Überblick verloren und deshalb einen Gang zurückgeschaltet. Und sich erklären lassen, wie es zur Krise kam.

 

Herr Götz, seit Monaten reden alle von der Eurokrise. Konkrete Auswirkungen im Alltag haben wir bisher aber nie bemerkt, und plötzlich stand zur Debatte, ob Griechenland den Euro verlieren soll. Wie konnte es überhaupt so weit kommen?


 

Vom Blitz getroffen: Die Nachrichten aus der Wirtschaftswelt sind teilweise genauso düster, wie die Wettervorhersagungen für diesen Sommer. Foto: fotolia/crimson

 

Manche Länder wie Griechenland gaben viele Jahre lang weit mehr aus, als sie einnahmen. Sie haben damit ihre Verschuldung massiv erhöht. Das ging so lange gut, wie sie zumindest die Zinsen für die Kreditschulden bezahlen konnten. Als die jedoch stiegen, drohte der Staatsbankrott und die Länder baten um finanzielle Unterstützung aus dem Ausland.

 

Seither wird fast wöchentlich über Rettungspakete in Milliardenhöhe verhandelt. Wie können sich Länder jahrelang verschulden, ohne dass es jemand merkt?


Nur wenige wissen, dass es Investoren bereits vor der Einführung des Euro deutlich riskanter einschätzten, Griechenland Geld zu leihen als zum Beispiel Deutschland. Die Griechen mussten deshalb schon früher sehr hohe Zinsen an Kreditgeber zahlen. Mit der Einführung des Euro glichen sich allerdings die Zinssätze in Europa stark an. Das führte dazu, dass sich auch hoch verschuldete Länder leichter und billiger Geld leihen konnten. Das Spiel ging einige Jahre gut. Erst nach der Bankenkrise 2008 kam dann die unschöne Wahrheit ans Licht.

 

Wie haben die EU-Länder reagiert?


Reagiert haben zunächst die Ratingagenturen, das sind Agenturen, die die Kreditwürdigkeit von Unternehmen aller Branchen sowie von Staaten bewerten. Sie haben die Kreditwürdigkeit der Länder herabgestuft und ihnen damit erschwert, günstig an Kapital zu gelangen. In der Konsequenz bedeuten höhere Zinslasten im Staatshaushalt weniger Geld für andere wichtige Aufgaben, etwa für Bildung und Kultur. Aufgrund der Krise mussten in betroffenen Staaten viele Betriebe schließen und Angestellte entlassen werden.

 

 

 

 

Gegen den Sparzwang und die wachsende Arbeitslosigkeit setzen sich viele, vor allem junge Menschen, zur Wehr. In Spanien und Griechenland kam es zu Jugendprotesten. Ist das auch in Deutschland denkbar?


Ich halte das für unwahrscheinlich, denn anders als viele südliche Euroländer ist Deutschland im Lauf der Jahre immer wettbewerbsfähiger geworden. Für viele Unternehmen ist es heute attraktiver denn je, sich in Deutschland niederzulassen. Und durch die alternde Bevölkerung und das gute Bildungssystem haben gerade junge Menschen heutzutage sehr gute Arbeitschancen.

 

Trotzdem sind viele junge Menschen beunruhigt. Sie fürchten, dass sie letztlich für die Schulden der angeschlagenen Euroländer aufkommen müssen.


Viele Jugendliche denken heute sehr europäisch. Sie haben den Euro schätzen gelernt. Die Politiker sollten dieses Vertrauen in den Euro nicht verspielen, indem sie Versprechen geben, die sie nicht halten können. Momentan herrscht große Verunsicherung, was Europa betrifft. Vor der Einführung des Euro ist festgelegt worden, dass kein Land für die Schulden eines anderen einsteht. Es bringt also nichts, sich von der heutigen Polemik einiger Politiker mitreißen zu lassen. Viel wichtiger ist es aktuell, die fehlende Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen und den Menschen das Vertrauen in Europa zurückzugeben.

 

Das Gespräch führte Hannah Vahlefeld, 19 Jahre.

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