Raufeld/Margarethe Neubauer

Ungewohnt gewohnt – Teil 2

Fotoserie, Teil 2:

In unserer neuen Serie öffnen wir für euch die Türen zu außergewöhnlichen Wohngemeinschaften, in denen wir in den Kühlschrank, unter das Sofa und hinter die Kulissen schauen durften. Diesmal haben wir mit einem Studentenverein gesprochen.

Zu Fünfzehnt wohnen die Mitglieder der Askania-Burgundia in einer alten Backsteinvilla in Berlin-Dahlem. Männlich, Student, christlich getauft – das sind die Aufnahmekriterien für ihren Verein. Entgegen mancher Klischees werden hier keine Messen abgehalten und auch die traditionelle Uniform mit gelber Schärpe bleibt zumeist auf dem Dachboden. „Einige von uns gehen nur zu Weihnachten in die Kirche“, schmunzelt Politik-Student Lukas. Statt mit Bibelstunden verbringen sie ihren wöchentlichen Aktivenabend lieber mit Spielen, gerade sind die „Siedler“ hoch im Kurs, oder diskutieren bei einem selbstgezapften Bier in der hauseigenen Bar über Gott und die Welt. „Es ist schade, dass wir oft mit Vorurteilen zu kämpfen haben“, findet Mitbewohner Janos. Die gemeinsam geplanten Veranstaltungen reichen von der Halloweenparty mit 150 Gästen bis zum wissenschaftlichen Vortrag, bei dem der Mathematiker in spe vom angehenden Game Designer profitieren kann. Die üblichen WG-Haushaltssorgen gibt es natürlich auch, bei einem so riesigen Haus ist der strikte Putzplan ein Muss. Wer schludert, zahlt zehn Euro in die Gemeinschaftskasse. Um Engpässen vorzubeugen, wird dann mal ein Drei-Jahres-Vorrat an Klopapier gekauft, die 2000 Packungen lagern jetzt im Keller. Finanziert wird das Wohnen in der Villa von ehemaligen Mitgliedern, die gern zu Gast sind – auch unangekündigt. „Einmal lief ein völlig fremder Mann durch unseren Garten“, erinnern sich die Studenten. Bei einem Bier haben sie dann zusammen alte Fotoalben durchstöbert.

In der holzvertäfelten Bibliothek der Vereinsvilla lernte schon Ex-Bundeskanzler Kiesinger. Heute hängt sein Porträt über dem Klavier im Gemeinschaftsraum. Foto: Raufeld/Margarethe Neubauer
In der holzvertäfelten Bibliothek der Vereinsvilla lernte schon Ex-Bundeskanzler Kiesinger. Heute hängt sein Porträt über dem Klavier im Gemeinschaftsraum. Foto: Raufeld/Margarethe Neubauer

WG-Insiderwissen
Optimale Gartennutzung: Im Sommer stellen die Villa-Bewohner gern einen Pool auf ihrem Rasen auf.
Manchmal merkwürdig: Die Freundin eines Mitbewohners in der Gemeinschaftsdusche antreffen. Wie reagieren die Jungs dann? Höflich grüßen und Shampoo anbieten.
Das nächste Event: Gemeinsam vom Ledersofa aus den Super Bowl auf der großen Leinwand im Wohnzimmer schauen. Darauf freuen sich alle.
Das ist Qualität: Ein Besucher und ehemaliger Mitbewohner bewunderte vor Kurzem einen der Herde in der Küche. Er hätte darauf auch schon wunderbar gekocht- damals, in den 60er-Jahren.
Herzlich Willkommen: Die meisten Veranstaltungen in der Villa der Askania-Burgundia sind auch für Nicht-Mitglieder zugänglich. Es gibt sogar ein Programmheft, in dem sich Interessierte darüber informieren können. Frauen sind übrigens ebenfalls gern gesehene Gäste.

Margarethe Neubauer, 21 Jahre, ist auch ohne Taufschein auf der nächsten WG-Party herzlich willkommen

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Kategorien Fotoserie Lifestyle Schule & Zukunft Uni & Ausbildung Zwischendurch

Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.