Wovon wir nicht mehr loskommen

Anders als früher auf seinen Grundschulklassenfahrten kommt der Kamillentee, den Jugendreporter Bill gerne trinkt, heute nicht mehr aus den berüchtigten Plastikbottichen, in denen Tee in Schullandheimen traditionell serviert wird. Foto: Raufeld / Bill Schneider

Gebeutelt: Wir sind elf Jahre alt und befinden uns in einem Schullandheim mitten in der Brandenburger Prärie. Es ist Sommer und ziemlich heiß, und alle schwitzen und wollen etwas trinken. Der große hellgrüne Behälter aus spröder Hartplaste hat schon ziemlich viele Kratzer. Aus ihm gießt die grimmig dreinblickende Hortnerin eine trübe Flüssigkeit. Sie schmeckt nach viel Zucker und ein bisschen bitter, fast wie Schlamm. Es handelt sich wohl um Kamillentee, der ja bekanntermaßen gesund ist.


Durch solche Erinnerungen verbinden die meisten diesen Tee mit einer Zeit ihres Lebens, als Diktate noch in Hefte mit Hilfslinien geschrieben wurden und „Puller“ ein schlimmes Schimpfwort war. Der mit kochendem Wasser aufgegossenen Kamillenpflanze wird dadurch großes Unrecht zuteil. Denn eigentlich handelt es sich da um ein tolles Getränk, das mir in letzter Zeit viel Freude bereitet.
Ein frisch gebrühter Kamillentee, ungesüßt natürlich, tut gut in allen Lebenslagen. Morgens beim Frühstück spendet er Kraft für den bevorstehenden Tag. Kann ich mich später am Nachmittag beim Lernen nicht konzentrieren, gieße ich erst mal einen Beutel auf und denke beim genüsslichen Schlürfen noch mal in Ruhe nach. Am Abend ist der Kamillentee besonders wichtig: Dann ermöglicht er mir, zu entspannen, abzuschalten und die Hektik des Tages zu vergessen. 
Kamillentee trinken ist eine sehr private, fast schon intime Angelegenheit. Es gibt dann nur den Tee und mich, und wir beide verschmelzen zu einer friedlichen Einheit in dieser Welt, die ansonsten voll ist von stylischen Starbucks-Drinks und Wasser mit künstlichem Fruchtgeschmack.


Bill Schneider (18 Jahre)

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