Zwanzig, von Glück erfüllte Gesichter

Über den Besuch in einer Pankower Notunterkunft für Flüchtlinge.

Von Janne Lomb, Klasse 10e des Bertha-von-Suttner Gymnasium

Dass montags die Busse besonders voll sind lässt auch heute die Menge von Menschen im Bus spüren, die eng aneinander gedrückt jeglichen Platz zum Atmen nimmt. Die Bushaltestelle in der Wackenbergstraße jedoch ist menschenleer. Hier steht die Pankower Notunterkunft für Flüchtlinge. Der Weg dorthin ist wie leer gefegt- völlig leblos umringt die hohe graue Mauer die Turnhalle, in der die Flüchtlinge derzeitig leben. Von außen betrachtet erinnert die dunkle Fassade eher an ein Gefängnis, das verlassen dasteht, umringt von vereinzelten Häusern und kahlen Baumkronen mit dürren Ästen. Die schwere Stahltür neben der verstaubten Klingel lässt noch nicht auf die freundliche Atmosphäre schließen, die einem dort überraschend begegnet. Ein Mann mit dunklem Haar und einer neongelben Signalweste über der schwarzen Daunenjacke zeigt den Weg zum Büro des Heimleiters, vorbei an zwei kleinen Jungen, die mit einer grünen Gießkanne spielend, leise kichern. Ein alter Mann, der rauchend auf einer Holzbank sitzt, lächelt freundlich, als wir die Türschwelle übertreten.

Hinter der schmalen grünen Tür, an der ein weißer Zettel, beschrieben mit arabischen Schriftzeichen, klebt, sitzt der Heimleiter zwischen sich häufenden Papierstapeln an seinem Schreibtisch. Dieser wird von einer kleinen Lampe an der tiefhängenden Decke in ein schummriges Licht getaucht. Der asiatische Mann begrüßt uns freundlich und weist auf die ausgeblichenen Sofas hin, die als Sitzgelegenheiten für Besucher dienen. Er stellt die junge Araberin Jana vor, die unter anderem als Dolmetscherin im Flüchtlingsheim hilft. Für die Interviews wechseln wir auf ein gemustertes Sofa, das in einer Ecke der großen Turnhalle steht. Der riesig erscheinende Raum ist bis in die hinterste Ecke mit einfachen Etagenbetten gefüllt, die für die Privatsphäre mit grünen und weißen Tüchern verhangen sind. In der Luft liegt ein leicht modriger Geruch, der dennoch nicht unangenehm wirkt. Das Einzige, was an die frühere Benutzung als Turnhalle erinnert, ist der quietschende Boden mit den Markierungen für verschiedene Spielfelder, auf dem einige Kinder in bunt zusammen gewürfelter Kleidung lachend und kreischend einem Ball hinterher rennen. Ein Mädchen, mit pinkfarbenen Filzstiftabdrücken im Gesicht, stellt sich neugierig zwischen Jana und die Männer, die sie bereits hergeholt hat, und lächelt schüchtern.

Ein 27-jähriger Mann aus Ägypten beginnt als erster, die Interviewfragen zu beantworten. Er hat die Hände in die weiten Hosentaschen gesteckt, als er mit lauter Stimme von seiner alleinigen Flucht vor drei Monaten erzählt, bei der er seine Eltern in seiner Heimat zurücklassen musste, um sich ein besseres Leben in Deutschland aufzubauen. In Ägypten studierte er Maschinenbau und macht sich nun Sorgen um seine Zukunft. Jana verdreht die Augen, als sie die abschließenden Worte des schelmisch grinsenden Mannes übersetzt. Er möchte eine deutsche Frau heiraten, da sie ihm so gut gefallen.

Immer mehr Flüchtlinge stellen sich um das gemusterte Sofa, werfen uns neugierige Blicke zu oder setzen sich lächelnd zwischen uns. Ein großer Mann in mitten der Menschentraube beantwortet nun die Fragen. Die lange blaue Jogginghose reicht bis unter seine Fersen, mit denen er barfuß auf dem Boden steht. Er ist 26 Jahre alt und ebenfalls alleine vor zwei Monaten aus dem Irak nach Deutschland geflohen. Er starrt mit leerem Blick an die weiße Wand, als er von seiner Frau und seiner kleinen Tochter erzählt, die er zurücklassen musste. Seine glasigen Augen werden wieder klar, als er das Thema auf seine Ausbildung als Elektriker wechselt und seine Freude über die Integration von Seiten Deutschlands ausdrückt. Sein größter Wunsch ist es nun, seine Familie herzuholen und die deutsche Sprache zu lernen.

Nun traut sich auch das, mit Filzstift bemalte, Mädchen die Fragen zu beantworten und erzählt von ihrer Flucht vor zweieinhalb Monaten aus ihrer Heimat Syrien. Auf Grund des Krieges flüchtete sie gemeinsam mit ihrer Mutter, drei Brüdern und zwei Schwestern nach Deutschland. Sie hebt ihren pink bemalten Finger, als sie ihr Alter von zwölfeinhalb Jahren verkündet, was ihr besonders wichtig zu erwähnen ist. Ihr größter Wunsch ist es, in Deutschland eine Schule besuchen zu dürfen, da sie noch nie zur Schule gegangen ist. Besonders sehnt sie sich aber nach Syrien, ihrer Heimat, die sie unendlich vermisst.

Als Jana uns nach draußen führt, folgen ihr all die Flüchtlinge, die sich im Laufe der Stunde um das Sofa gestellt haben, vor den Eingangsbereich der Notunterkunft, um ein letztes Gruppenfoto zu machen. Jana steht breit lächelnd hinter der Kamera, als sie in die zwanzig, von Glück erfüllten Gesichter vor der Kamera schaut. Eng zusammengedrückt lächeln sie glückselig in die Kamera. Manche vor Glück, Besuch bekommen zu haben, und andere vor Glück, Menschen getroffen zu haben, denen mit so etwas scheinbar Kleinem eine riesige Freude bereitet werden kann.

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